Mathematik

Der grundsätzliche Charakter des Mathematikunterrichtes der Oberstufe tritt prägnant in Erscheinung, wenn man ihn zum Beispiel an Formulierungen der PISA-Studie misst. Wie keine andere Maßnahme entfacht PISA seit nunmehr über einem Jahrzehnt die bildungspolitische und bildungsphilosophische Diskussion.

Zur mathematischen Grundbildung heißt es in PISA 2000:

  • PISA richtet sich dezidiert nicht auf die Beherrschung von mathematischen Verfahren und Faktenwissen und auch nicht auf ein nur schematisches Anwenden von Mathematik zur Lösung „eingekleideter“ Aufgabenstellungen. Vielmehr untersucht der PISA-Mathematiktest, inwieweit mathematisches Wissen funktional, flexibel und mit Einsicht zur Bearbeitung vielfältiger kontextbezogener Probleme eingesetzt werden kann.
  • Mathematik wird als ein wesentlicher Inhalt unserer Kultur angesehen, gewissermaßen als eine Art von Sprache …
  • Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, die Anwendbarkeit mathematischer Konzepte und Modelle auf alltägliche – vor allem auch offene, nicht gut definierte – Problemstellungen zu erkennen, die einem Problem zugrundeliegende mathematische Struktur zu sehen und Aufgabenstellungen in mathematische Operationen zu übersetzen.

Wie verhält sich dazu der Mathematikunterricht unserer Oberstufe? Skizzenhaft seien einige Gedanken formuliert:

Zentrales Anliegen unseres Unterrichtes ist das Verstehen mathematischer Ideen und der aus ihnen sich entwickelnden Gedankengebäude. Damit soll anklingen, dass Mathematik im Sinne Platons zweckfrei als Erkenntnisweg verstanden und gepflegt wird. Eine in diesem Sinne betriebene Mathematik gleicht mehr der Kunst, die frei von unmittelbaren Nutzanwendungen ihren Wert gerade durch diese Eigenschaft erhält. PISA hingegen liegt ein engerer, streng funktionaler Bildungsbegriff zugrunde. Dies zeigt sich, wenn von einem Anwenden „mathematischer Konzepte und Modelle“ auf „kontextbezogene Probleme“, beziehungsweise „alltägliche Problemstellungen“ die Rede ist. Hier handelt es sich um die Instrumentalisierung einer auf Modelle reduzierten Mathematik. Es erscheint als schlüssig, dass der Auftrag zu PISA von der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) erteilt wurde. Selbstverständlich werden im Mathematikunterricht unserer Oberstufe auch Alltagsprobleme gelöst, aber erst an zweiter Stelle, während an erster Stelle die Schulung der freien Beweglichkeit des Geistes steht. So ergibt sich eine Korrespondenz zu dem Zitat Rudolf Steiners, welches dem Leitbild unserer Schule vorangestellt ist und eine der Kernintentionen der Waldorfpädagogik zusammenfasst.

Übereinstimmung mit PISA besteht darin, dass Anwendungsaufgaben, deren Lösung Flexibilität, also Transferfähigkeit, verlangt, vorzuziehen sind gegenüber solchen, deren Lösung festen Schemata folgt.

Übereinstimmung herrscht ferner mit dem zweiten oben angeführten Punkt, wonach Mathematik „als ein wesentlicher Inhalt unserer Kultur angesehen“ wird, „gewissermaßen als eine Art von Sprache …“. Die Erschließung aller Inhalte geht (bis hin zur 12. Klasse) stets von der Anschauung aus. Im Zuge der daran anschließenden Abstraktion erfindet die Mathematik, wie jede Wissenschaft, eine spezielle Wissenschaftssprache. Die didaktische Herausforderung besteht nun aber darin, auch komplexe und komplizierte Sachverhalte zunächst allgemeinverständlich in der Umgangssprache auszudrücken und die Wissenschaftssprache erst im Nachhinein dazuzustellen. Pointiert bemerkt Niels Bohr: „Wer einen Sachverhalt nicht allgemeinverständlich auszudrücken vermag, hat ihn eigentlich noch nicht verstanden.“


 

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.